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Mittwoch, 11. September 2013

Wie die FDP versuchte,die Veröffentlichung eines Interviews mit Philipp Rösler zu untersagen

Wo Rassismus nicht vorkommt

Ein Interview, das im Wahlkampf schädlich zu sein scheint

taz-Chefredakteurin Ines PohlVon taz-Chefredakteurin Ines Pohl

Im Sommer hat die taz bei Vizekanzler Philipp Rösler ein Interview angefragt. Als Thema schlugen wir vor: Hass im Wahlkampf. Das Interview sollte Teil einer Gesprächsserie sein, das SpitzenpolitikerInnen mit ungewöhnlichen, auch schwierigen Themen konfrontiert. Spießigkeit, Konkurrenz, Hass, Alter. Die FDP-Presseabteilung war damit einverstanden. Allerdings erschien ihr die Vokabel Hass zu hart. “Stil und Anstand im Wahlkampf” wäre Philipp Rösler als Thema lieber gewesen.

Das Interview fand am 20. August im Wirtschaftsministerium statt. Gesprächsgegenstand waren gängige Wahlkampfthemen wie die Steuerpolitik der Liberalen und Streit in der Koalition. Unsere Fragen zielten auch darauf, wie Rösler im Wahlkampf mit rassistischen Vorurteilen umgeht – etwa mit Hassmails. Oder dass FDP-Wahlkämpfer im Straßenwahlkampf oft mit Sätzen konfrontiert werden wie: “Wir würden Euch wählen, wenn ihr nicht diesen Chinesen an der Spitze hätte”. Die taz wollte auch wissen, wie der Minister mit Bemerkungen zu seiner Herkunft in seiner Partei umgeht. So hatte Rainer Brüderle, damals Röslers innerparteilicher Konkurrent, gesagt: “Glaubwürdigkeit gewinnt man nicht, indem man wie Bambusrohr hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche. Deshalb ist die Eiche hier heimisch und nicht das Bambusrohr.” Das war unschwer als rassistisch konnotierte Ausgrenzung zu verstehen.

Das Gespräch dauerte knapp 50 Minuten. Der Minister beantwortete alle Fragen. Er erhob auch keinen Einspruch dagegen, nochmals mit dem Zitat von Rainer Brüderle konfrontiert zu werden.

Am 27. August schickte die taz das Interview zur Autorisierung. Dass Politiker und ihre Pressesprecher Interviews mit Zeitungen gegenlesen und verändern, ist in Deutschland Usus. Im Prozess der Autorisierung wird um Formulierungen gerungen: Die Redaktion möchte möglichst viel vom Wortlaut erhalten, die jeweilige Pressestelle möglichst viel von dem Parteiwording unterbringen. Diese Auseinandersetzung ist normal.

Doch am 29. August teilte die FDP-Pressestelle mit, dass Rösler das gesamte Interview nicht freigibt. Auch ein nochmaliger Anruf der taz änderte nichts an dieser rigiden Haltung. Am 3. September gab es ein weiteres, letztes Telefonat zwischen taz und FDP-Pressesprecher. Das Angebot der FDP-Pressestelle lautete: Die taz könne ein Interview mit Fragen zur FDP-Programmatik veröffentlichen und maximal einer Frage zu Rassismus. Zu dem Zitat von Rainer Brüderle zum Bambusrohr, das hierzulande “nicht heimisch sei”, werde der Minister nicht antworten.

Wir sind der Ansicht, dass das in Deutschland übliche Autorisierungsverfahren PolitikerInnen genug Möglichkeiten gibt, um Aussagen zu modellieren oder auch abzuschwächen, falls diese ihnen misslich erscheinen. Oft sogar zu viele Möglichkeiten.

Philipp Rösler und die Presseabteilung der FDP haben versucht, diese ohnehin weitreichenden Einflussmöglichkeiten drastisch zu erweitern. Falls es Usus wird, dass Politiker nicht nur einzelne Aussagen in Interviews abschwächen, sondern künftig bei Missfallen komplette Interviews sperren, schränkt dies die Möglichkeiten eines kritischen Journalismus über die Maßen ein.

Deswegen haben wir uns entschlossen, das Interview ohne die Antworten zu publizieren.

Fakt ist: Rösler hat der taz ein Interview gegeben, dass ihm später im Wahlkampf schädlich zu sein schien. Der FDP-Pressesprecher behauptet, dass unsere autorisierte Fassung nicht dem tatsächlichen Verlauf des Gesprächs entsprochen habe. In dem Gespräch am 20. August redeten wir gut 20 Minuten lang über Rassismus, gut 25 Minuten über andere Themen. In der taz-Fassung des Gesprächs nimmt Rassismus zwei Drittel ein, andere Themen nehmen ein knappes Drittel ein. Diese Gewichtung ist im Rahmen des Üblichen. Nur eine nachträgliche Frage zu diesem Thema veröffentlichen zu dürfen, wäre für uns nicht akzeptabel gewesen.

Der FDP-Pressesprecher versucht seinen Rückzieher zu rechtfertigen, indem er der taz unterstellt, “an rassistischen Ressentiments zu rühren”. Aber: Wir haben nach rassistischen Ressentiments gefragt, die auch innerhalb der FDP existieren. Das ist journalistisches Handwerk.

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