Üppige Ruhestandsbezüge und "rechtes Zwielicht"
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat
doppelt Ärger – mit ihrem alten und ihrem neuen Regierungssprecher.
Begonnen hatte alles mit einer üppigen Pensionsregelung. Von Claudia Ehrenstein
Wenn alles seinen
regulären Gang geht, dann werden die Thüringer im kommenden Jahr einen
neuen Landtag wählen – frühestens im Mai und spätestens im Oktober. So
ergibt es sich aus dem Landeswahlgesetz. Doch von Woche zu Woche wird es
fraglicher, ob die große Koalition unter Führung von
Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) noch so lange hält.
Schon vor
Monaten sollen CDU und SPD jeweils interne Pläne durchgespielt haben,
das Bündnis vorzeitig platzen zu lassen. Wie schlecht es um die
Zusammenarbeit steht, zeigt sich derzeit in der Affäre um die Pensionsregelung für den früheren Regierungssprecher Peter Zimmermann (parteilos).
Die
Landtagsfraktion der Grünen hat Lieberknecht in diesem Zusammenhang
wegen des Verdachts der Untreue angezeigt, und die Staatsanwaltschaft
hat bereits beantragt, die Immunität aufzuheben. Doch statt die Reihen
in der Krise zu schließen, nutzt der kleine Koalitionspartner die
Gelegenheit, die Regierungschefin zusätzlich zu beschädigen. So weigerte
sich Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) gemeinsam mit dem neuen
Regierungssprecher Karl-Eckhard Hahn (CDU) vor der
Regierungspressekonferenz aufzutreten.
Hahn wird in der
jüngsten Ausgabe des antifaschistischen Magazins "Der rechte Rand"
vorgeworfen, "Vordenker" einer neuen Rechten zu sein. Machnig forderte
Hahn auf, sich zu den Anschuldigungen zu äußern.
Wie eine trotzige Kampfansage
Da klingt es
fast wie eine trotzige Kampfansage, wenn Lieberknecht am Dienstag in
Erfurt erklärt: "Ich bin mir der Rechtmäßigkeit meines Handelns
bewusst." In einer Kabinettssitzung hat sie ausführlich begründet, warum
sie ihren gerade einmal 37 Jahre alten Regierungssprecher Zimmermann in
den einstweiligen Ruhestand versetzt hatte – was mit satten
Versorgungsansprüchen verbunden war und den Protest der Opposition
provozierte hatte.
Der personelle
Umbau der Staatskanzlei sei langfristig geplant gewesen, und sie habe
Zimmermann bereits Ende des Jahres informiert, dass sie seine Stelle neu
besetzen wolle. Rechtlich habe sie keine andere Möglichkeit gehabt, als
den Beamten in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.
Inzwischen
arbeitet Zimmermann für eine Leipziger Internetfirma und hat auf seine
Ansprüche verzichtet. Für die Opposition ist der Fall damit jedoch noch
nicht beendet. Bodo Ramelow, Fraktionschef der Linken im Erfurter
Landtag, verlangt von Lieberknecht lückenlose Aufklärung, wie es zu der
teuren Pensionsregelung gekommen ist. Sie sollte nicht das ordentliche
Verfahren abwarten, sondern selbst aktiv werden und alle Akten im Fall
Zimmermann der Staatsanwaltschaft übergeben. "Diese Landesregierung
schadet Thüringen", sagte Ramelow der "Welt". Die Bürger könnten nur
noch den Kopf schütteln.
Weg für Neuwahlen
Wenn
Lieberknecht es nicht gelinge, alle Zweifel auszuräumen, müsse sie den
Weg für Neuwahlen freimachen, forderte Ramelow. Es sei doch keine Basis
für die Zusammenarbeit in der Regierung, wenn das Kabinett etwas
beschließe, von dem sich einige Teilnehmer dann wieder distanzieren.
Schließlich habe auch Machnig für die Pensionsregelung gestimmt, auch
wenn er jetzt behaupte, sich arglistig getäuscht zu fühlen.
Zugleich
verteidigt ausgerechnet Ramelow den Regierungssprecher Hahn gegen
Machnigs Vorwürfe. Nichts davon sei neu. Die Linke habe den Fall Hahn
schon 2009 in ihrem sogenannten "Schwarzbuch" aufgearbeitet.
Tatsächlich hat
Hahn während seines Geschichtsstudiums und der anschließenden Promotion
in Göttingen für die Zeitschrift "Etappe" geschrieben, die den Ruf hat,
im nationalen Lager zu stehen. Die "Zeit" zitiert den Brühler
Politologen Armin Pfahl-Traughber, der die Zeitschrift als
"Theorieorgan" der neuen Rechten bezeichnet.
In einer am
Dienstag veröffentlichten Erklärung schreibt Hahn, dass er sich bereits
1989 aus der "Etappe" wieder zurückgezogen habe, "weil sie in ihrer
Arbeit gegen mein Verständnis von Menschenwürde verstieß". Seine
Mitarbeit habe er "bereits zum damaligen Zeitpunkt als Fehler
betrachtet", schreibt Hahn weiter, "und ich distanziere mich davon
ausdrücklich".
Über jeden Zweifel an demokratischer Haltung erhaben
Hahn bestreitet
auch nicht, seit 1982 Mitglied der Deutschen Gildenschaft (DG) zu sein,
weil sich diese Studentenverbindung "für die Wiedervereinigung
Deutschlands in Freiheit einsetzte". Die Statuten, so wie sie in der
"Zeit" zitiert werden, legen den Verdacht nahe, die DG sei völkisch
ausgerichtet. Ein Vorwurf, den Hahn in seiner Erklärung entschieden
zurückweist.
"Wären
völkische Ideologien, Nationalismus oder völkischer Nationalismus das
programmatische Fundament der DG, wäre ich nicht Mitglied dieser
Verbindungen." Um über jeden Verdacht erhaben zu sein, lässt Hahn seine
Mitgliedschaft zunächst ruhen. Thüringens Innenminister Jörg Geibert
(CDU) will nun in einem geeigneten Gremium der Innenministerkonferenz
von Bund und Ländern überprüfen lassen, ob die DG im
freiheitlich-demokratischen Spektrum angesiedelt ist.
Auch
Lieberknecht verteidigt ihren Regierungssprecher gegen die
Anschuldigungen des Koalitionspartners. Aus ihrer mehr als 20-jährigen
Zusammenarbeit wisse sie, dass Hahn über jeden Zweifel an seiner
demokratischen Haltung erhaben sei. Versuche, Hahn ins "rechtsextreme
Zwielicht" zu stellen, weist sie entschieden zurück.
Anspruch auf üppige Ruhestandsbezüge
Hahn ist seit
1994 Mitglied der CDU. Er war Lieberknechts Referent und Redenschreiber,
und zuletzt war er Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Er habe sich auch
an der Arbeit des Evangelischen Arbeitskreises der CDU beteiligt,
schreibt Hahn in seiner Erklärung, die sich letztlich an Machnig
richtet.
Pikant ist,
dass dieser als ehemaliger Staatssekretär von Sigmar Gabriel (SPD) im
Bundesumweltministerium Anspruch auf recht üppige Ruhestandsbezüge hat.
Machnig war
nach dem Regierungswechsel in Berlin am 3. November 2009 in den
einstweiligen Ruhestand versetzt und damit finanziell abgesichert
worden, obwohl ihn Lieberknecht am selben Tag als Mitglied ihres
Kabinetts vorstellte, berichtet die Zeitung "Freies Wort". Ein
zufälliges Zusammentreffen beider Ereignisse sei dies, wie Machnigs
Sprecher nun erklärt.
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