Ehrung für Hans LittenVergessener Anwalt
Dieser Hans Litten war eben keiner der heute prominenten Hitler-Gegner. Er hat nicht erst spät Bomben unter Adolf Hitlers Tisch im Führerhauptquartier plaziert. Litten hat schon frühzeitig – seit 1928 – die Nationalsozialisten und die Berliner SA in vielen Verfahren bekämpft, jeden Tag, mit der Klinge der Prozeßordnung – und er hat sich damit den Nazis ausgeliefert. Daß heute die Veranstalter, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. und die Vereinigung demokratischer Juristen, einen Historiker aus der DDR rufen mußten, um einen sachverständigen Litten-Kenner zur Würdigung aufbieten zu können, das ist das zweite traurige Symbol dieses 50. Todestages eines Widerstandskämpfers.
Denn in der Bundesrepublik, die nach dem Krieg sogar furchtbare Juristen des Volksgerichtshofs in ihr Rechtswesen übernahm, ist ein wackerer Nazigegner wie Hans Litten offenbar kein Vorbild. Diesem beim damaligen Kriminalgericht Berlin-Moabit gefürchteten Anwalt, der die Mordkommandos der SA entlarvte, wurde in dieser Republik kein Denkmal gesetzt oder eine Straße nach ihm benannt. Das behielt sich die DDR vor.
Der aus der DDR-Hauptstadt angereiste Historiker Kurt Neheim, der gerade an einer Litten-Biographie arbeitet, verdeutlichte in einer fast einstündigen Würdigung, wie sehr es sich für Juristen und andere lohnen würde, sich über „diesen wunderbaren Menschen“ (Neheimer) näher zu informieren. Denn dieser junge und mutige Anwalt sah seine Aufgabe darin, schon in den späten zwanziger Jahren verfolgte kommunistische Arbeiter gegen den anschwellenden Nazi-Terror zu verteidigen und nicht den bequemen Weg der Anpassung zu gehen. Neheimer: „Er war einer von denen, die es auf sich nehmen, vor ihrem Gewissen zu bestehen.“
Dieser aus den 3000 Anwälten des damaligen Berlins herausragende Kämpfer für das noch bestehende Recht endete in Dachau, weil er es auch gewagt hatte, in einem spektakulären Prozeß des Jahres 1931 Adolf Hitler selbst in den Zeugenstand zu zitieren. Mit hochnotpeinlichen Fragen hatte Litten Hitler sechs Stunden lang traktiert und der faktischen Mittäterschaft an Überfällen des gefürchteten SA-Sturms 33 überführt.
Weil er als „proletarischer Anwalt“, wie sich der gebürtige Großbürgersohn Litten selbst nannte, unbeugsam und wirksam für die verfolgten kommunistischen Arbeiter stritt, stand er ganz oben auf Hitlers Racheliste. Was Litten, der nie der KPD angehörte, bei den Nazis so verhaßt machte, skizziert Kurt Neheimer: „Es war seine politische Überzeugung und sein verantwortungsvolles Handeln als politischer Verteidiger.“
Litten wurde nur wenige Stunden nach dem Reichstagsbrand 1933 aus dem
Bett geholt, und er ging dann durch die Qualen von drei Gefängnissen
und sechs Konzentrationslagern, bis er am 5. Februar 1938 nach Foltern,
die ihn nicht dazu brachten, den Nazi-Schergen Mandanten oder andere
Verfolgte zu denunzieren, seinem Leben ein Ende setzte. Er erhängte sich
mit 35 Jahren. Doch daß sich Litten das Leben nahm, macht für Neheimer
keinen Unterschied zum Mord durch die Nazis: „Es gab in den KZs keinen
Tod, der die Peiniger freisprechen könnte.“
Karl-Heinz Büschemann
Karl-Heinz Büschemann
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