12.09.96 | 21:00 Uhr - Panorama Sendung in der ARD
Kinderpornographie - Reiche Täter kaufen sich frei
JOACHIM WAGNER:

Zwei Jahre "Gefängnis mit Bewährung" für den
katholischen Pfarrer - diese milde Strafe empfand die Niedersächsische
Justizministerin, Heidrun Alm-Merck als "unerträglich und in keiner
Weise akzeptabel". Eine berechtigte Urteilsschelte. Denn im Vergleich
etwa zu England, wo unlängst ein Diplomat wegen Besitz und Schmuggels
von Kinderpornographie zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung
verurteilt wurde, läßt die deutsche Strafjustiz bei Kinderschändern
unverständliche Milde walten. In Deutschland hätten der Diplomat sogar
Chancen, ganz ohne Strafe davonzukommen.
Ein Bericht von Gita Ekberg.
Ein Bericht von Gita Ekberg.
KOMMENTAR:
Hamburg-Harvestehude, der Leinpfad. Eine noble
Adresse an der Alster. Hier wohnt Hans B. hanseatischer Kaufmann und
Multimillionär. Außen das Großbürgertum, innen schmutzige Praktiken.
Vor 11 Monaten bekommt Hans B überraschend Besuch von der Kripo.
Die Beamten finden pornographische Fotos und
Videos mit Kindern in der Villa. Jahrelang soll Hans B. selbst an der
Herstellung beteiligt gewesen sein. Die Pornos zeigen, wie Kinder
betatscht und sexuell manipuliert werden.
Jetzt liegen mehrere Kubikmeter Pornos aus dem
Haus des millionenschweren Kaufmanns bei der Polizei. Nur wenige der
zahlreichen Opfer können identifiziert werden. Glück für Hans B. - Diese
Opfer sind jetzt erwachsen, die Taten verjährt. Nur der Besitz von
Kinderpornos bleibt. Und auch diese Tat soll wahrscheinlich nicht
bestraft werden.
Denn während Hans B. in seinem hanseatischen
Edelkontor weiterhin pro Jahr 20 Millionen Mark Umsatz macht, dealt sein
Anwalt mit der Staatsanwaltschaft. Geld für Anonymität und
Strafverzicht.
O-Ton
RÜDIGER BAGGER Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg:
"Das ist im Zusammenhang mit diesem Vorwurf,
nämlich reiner Besitz von kinderpornographischen Material, nicht
ungewöhnlich. Wir haben im § 184, äh, eine Strafbewährung von Geldstrafe
oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, wenn es um eine Person geht,
die nicht vorbestraft ist - wie das hier der Fall ist -, kann man über
eine solche Sache verhandeln. Allerdings gegen eine erhebliche
Geldbuße."
KOMMENTAR:
Wie erheblich die Geldbuße auch sein mag, Opfer sehen das völlig anders.
O-Ton
CHRISTA ZIEHN Löwenmütter e.V. gegen Kindermißbrauch:
"Täter müssen sich verantworten. Sie dürfen sich
nicht einfach freikaufen können. Ah, was ist mit dem Tätern, die kein
Geld haben. Die müssen vor Gericht, die anderen können sich freikaufen,
ohne überhaupt der Öffentlichkeit preisgegeben zu werden."
KOMMENTAR:
Es ist rührend, die Justiz denkt zuerst an die Täter.
O-Ton
RÜDIGER BAGGER Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg:
"Der Beschuldigte selbst gerät nicht in die
Öffentlichkeit. Was große Vorteile für ihn hat und auch dazu führt, das
muß man ganz offen sagen, daß man die Geldbuße sehr hoch ansetzen kann,
weil er diesen Vorteil hat. Der größte Vorteil ist, daß man bei einer
hohen Geldbuße denn diese Gelder Institutionen zur Verfügung stellen
kann, die sich um solche geschädigten Kinder kümmern."
KOMMENTAR:
Aber die Organisationen wollen das nicht. Für sie ist der Prozeß wichtiger.
O-Ton
CHRISTA ZIEHN Löwenmütter e.V. gegen Kindermißbrauch:
"Für die Opfer, wenn sie denn schon erwachsen
sind, ist es auf jeden Fall 'ne Genugtuung, daß der Täter vor Gericht
ist. Sich äußern muß über seine Schandtaten. Äh, die Opfer dann sehen,
daß dieser Täter, der früher ja die Macht über sie hatte, daß er sich in
demütiger Haltung vor dem Richter sozusagen äußern muß und letzten
Endes auch, zumindest einen Tag dann, vor Gericht diese Taten, ja, sich
dafür verantworten muß."
KOMMENTAR:
Auch diesen einen Verhandlungstag möchte die Justiz lieber vermeiden.
O-Ton
RÜDIGER BAGGER Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg:
"Denken Sie an das Stichwort Überlastung der Justiz. Das Gericht braucht sich mit diesem Fall nicht zu beschäftigen."
KOMMENTAR:
Nur wenn Beschuldigte viel Geld haben, werden sie offenbar mit der Justiz schnell handelseinig.
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