Bradley ManningZum Spion gemacht

Der Schuldspruch gegen Bradley Manning ist ein Fehler
Bradley Manning wird nach dem Urteil in Fort Meade, Maryland, abgeführt.
Bradley Manning wird nach dem Urteil in Fort Meade, Maryland, abgeführt.
Kein Politiker weltweit hat das Internet so gut verstanden wie Barack Obama. Er weiß, dass man damit viele Menschen mobilisieren kann: Seine beiden Präsidentschaftskampagnen haben das brillant umgesetzt. Er weiß, dass man damit viele Bürger überwachen kann: Seine Geheimdienste schöpfen das voll aus. Er weiß, dass auch der Einzelne durchs Internet Politik machen und sie kritisieren kann. Weswegen er gegen Geheimnisverräter im Netz, also Whistleblower, härter vorgeht als jeder Präsident vor ihm.
Sieben Amerikaner hat er unter dem Spionagegesetz von 1917 anklagen lassen, mehr als seine Vorgänger zusammen. Ein Prominenter unter ihnen wurde am Dienstag in sechs Fällen der Spionage (und anderer Anklagepunkte) für schuldig befunden, ihm drohen bis zu 136 Jahre Gefängnis. Der ehemalige Obergefreite Bradley Manning hatte der Enthüllungsplattform WikiLeaks unter anderem geheime Informationen zum Irak- und zum Afghanistankrieg zugespielt, darunter ein Video von 2007, in dem amerikanische Soldaten aus einem Helikopter heraus einen Reuters-Fotografen und seinen Fahrer in Bagdad erschießen.
Die Militärrichterin hat Manning in dem umstrittensten Anklagepunkt freigesprochen: von dem Vorwurf, dem Feind (gemeint war Al-Kaida) geholfen zu haben. Er selbst hat erkannt, dass er mit seinem Geheimnisverrat gegen Gesetze verstoßen hat: Er hat sich während des achtwöchigen Prozesses in zehn Punkten schuldig bekannt, sie hätten für den 25-Jährigen insgesamt 20 Jahre Haft bedeutet. Offenbar war das nicht genug. (Die Soldaten, die in dem Irak-Video vorkamen, wurden im Gegensatz dazu nie verurteilt.)
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe der ZEIT, die Sie am Kiosk oder online erwerben können.
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Auch wenn das endgültige Strafmaß wohl erst im August bekannt werden wird, strahlt der Richterspruch jetzt schon aus – auf den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden. Der harrt derzeit in Russland aus und wird nun kaum das Angebot des amerikanischen Justizministeriums annehmen, für einen "fairen Prozess ohne Todesstrafe oder Folter" nach Hause zu kommen. Er ist ebenfalls wegen Spionage angeklagt.
"Whistleblower", sagte Barack Obama in seinem ersten Wahlkampf 2008, "gehören zu einer gesunden Demokratie und müssen vor Repressalien geschützt werden." Inzwischen sieht er das offenbar anders. Mal angenommen, Manning und Snowden hätten ihre Informationen nie veröffentlicht: Wäre die amerikanische Demokratie wirklich gesünder, oder wüssten ihre Bürger einfach nur schlechter Bescheid?